Donnerstag, 26. März 2009

Hunger vs. Der Baader Meinhof Komplex (Irland; England / Deutschland / 2008)

IRA und RAF. Hunger und Der Baader Meinhof Komplex. Beiden Filmen ist es gemein, auch wenn sie sonst unterschiedlicher nicht sein könnten, dass sie sich mit düsteren Kapiteln des Terrors in der jüngeren Vergangenheit ihrer Herkunftsländer beschäftigen. Macht der eine Konflikt eher nur noch sporadisch durch Haftentlassungen von sich reden, schaffte es der andere, nach Jahren der Ruhe, gerade wieder in die Schlagzeilen.

Die Geschichte der Roten Armee Fraktion ist bekanntermassen hochkomplex. Sie erstreckt sich über mehrere Generationen, Ziele und Beweggründe änderten sich im Laufe der Zeit, Politiker und Terroristen kamen und gingen und nicht zuletzt zog sich ein Graben zwischen Sympathisanten und Gegnern durch die Bundesrepublik.Da der deutsche Film ein etwa 10-jähriges Zeitfenster abdeckt, kamen die Macher nicht drum herum einige Konzessionen in der Erzählung der Geschichte einzugehen. Wichtige Figuren und ihre Entwicklungen werden zu Randnotizen, die Geschichte eilt teilweise in riesigen Schritten vorwärts. Dadurch wird der Film zwar nicht zur langweiligen Lehrstunde, erscheint aber zuweilen hektisch und oberflächlich. Dies zeigt sich besonders zum Ende hin, wenn sich die Ereignisse nach über zwei Stunden Laufzeit zu überschlagen beginnen.


Produzent Bernd Eichinger fuhr für DBMK schweres Geschütz auf. Starregisseur Uli Edel, der bereits 1981 mit der Verfilmung von Christiane F. von sich reden machte, inszenierte und ein who’s who der deutschen Filmszene, angeführt von Moritz Bleibtreu in der Rolle des Andreas Baader, gab sich die Ehre. Aus dem Budget der Produktion wird nach wie vor ein Geheimnis gemacht aber Schätzungen zufolge dürfte es um die 15-20'000'000€ gelegen haben, für hiesige Verhältnisse ein immenser Betrag. Dies ist dem Film aber auch in jeder Szene anzusehen. Der Protest gegen den Schah, das Innere des Gerichts, die ganze Darstellung des 70er-Jahre Deutschlands entspricht den Bilddokumenten jener Zeit und wirkt immer glaubwürdig. Gar detailversessen wird es während der Gerichtsverhandlung, in welcher reale Dialogpassagen Wort für Wort wiedergegeben werden.

Obwohl sich der komplizierte britische Konflikt über eine viel längere Zeitspanne erstreckt und bereits im 12. Jahrhundert seinen Anfang nahm, hat es die irisch/britische Co-Produktion Hunger in ihrer Erzählung etwas leichter. Die Fokussierung liegt auf den Jahren 79-81 und beschränkt sich auf Geschehnisse in einem nordirischen Gefängnis. Der Film ist unterteilt in drei, untereinander stark unterscheidende, Segmente. Der erste Teil beschäftigt sich mit den unter den Namen blanket protest und dirty protest bekannt gewordenen Widerständen, mit denen sich die IRA Aktivisten in britischer Gefangenschaft, den Status eines politischen Gefangenen einfordern wollten. Im Mittelteil wird der eigentliche Hauptprotagonist des Films, Bobby Sands (Michael Fassbender), eingeführt. Dieses Segment besteht hauptsächlich aus einem Dialog zwischen dem inhaftierten Freiheitskämpfer und seinem Priester, in dem Sands die Pläne und seine Beweggründe für einen geplanten Hungerstreik darlegt. Das Schlusskapitel befasst sich mit besagtem Streik, der sowohl die Leiber der Streikenden und mit ihnen die politische Landschaft Grossbritanniens fortwährend veränderte.


Regisseur und Autor Steve McQueen hatte für sein Filmdebüt Hunger wohl nur einen Bruchteil des DBMK-Budgets zur Verfügung und bringt trotzdem unvergessliche Momente auf die Leinwand. Die Dialogszene zwischen Sands und dem Priester ist eine statische 18-minütige(!) Einstellung ohne Filmschnitt. Eine Szene in der die Häftlinge sich ihres Urins entledigen, muss man gesehen haben um sich ihrer Anmut gewahr zu werden. Schönheit im Widerspiel mit den schockierenden Verhältnissen in denen die Sträflinge dahinvegetieren, sich der Brutalität der Wächter ausgesetzt sehen und den Auswirkungen, wenn der menschliche Körper als letzte Form des Protests herhalten muss. Man muss sich beinahe fragen ob der aus der Kunstszene stammende McQueen, auf Grund der dauernden Konzentration auf den menschlichen Körper, seine Ausscheidungen und die Gewalt die ihm teils durch eigene Hand zugefügt wird, den Konflikt nur als Vorwand für seine ganz eigene Videoinstallation nutzte. Der Verdacht entschärft sich etwas durch die Szene mit Sands und dem Priester. Jedenfalls beweist der Regisseur ein untrügliches Gespür für Bild und Ton und verwebt die Bestandteile zu einem nachhaltig beeindruckenden Gesamtwerk.

Mit wesentlich grösserem Aufwand gedreht, hinterlässt Der Baader Meinhof Komplex nicht die gleiche Wirkung wie Hunger. Die dialogarmen Bilder des Gefängnisdramas erschüttern in ihrer schonungslosen Offenheit und entlassen den Zuschauer mit flauem Gefühl wieder in die Wirklichkeit; ein Effekt, welcher die Verfilmung von Stefan Austs Bestseller in dieser Form nicht zu vermitteln mag. Auf beide Filme trifft jedoch zu und es ist ihnen hoch anzurechnen, dass die Moralkeule im Sack bleibt und dem Zuschauer vertraut wird, eigene Schlüsse aus dem Gezeigten zu ziehen.



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